Stellen Sie sich eine Bar mit nur einer Biersorte vor… Für die erste Runde ist das vielleicht noch in Ordnung, aber recht schnell merkt man, dass irgendetwas fehlt. Es gibt kein süffiges Pils, kein wohliges Weizen und auch kein gutes Dunkles. Obwohl das Bier sogar recht günstig war, waren Sie vermutlich zum letzten Mal Gast dieser Bar.

Ungefähr so sieht die Situation für Teeliebhaber aus, die außer Haus einen guten Tee trinken möchten. Auf der Karte gibt es viele dunkle, malzige, schwarze Tees, helle Grüntees und in manchen Cafés mittlerweile sogar hin und wieder sogar Sencha-Tee.

Aber Oolong Tees sucht man meist vergebens. Dabei ist es gerade der Oolong, der vielfältig und komplex wie kein anderer Tee ist. Keine andere Sorte zeigt besser auf, was man mit einer sorgfältigen Verarbeitung von Teeblättern erreichen kann.

Oolong Tee lässt sich in etwa zwischen grünen und schwarzen Tees einordnen. Durch intensive und sachkundige Arbeit kann ein Teemeister aus einer „Portion“ Teeblättern verschiedenste Geschmacksrichtungen kreieren, von gerösteten Nüssen über tropische Früchte bis hin zu dunkler Schokolade.

Wer mittlerweile von den bekannteren Teesorten gelangweilt ist, sollte einen Blick auf den Oolong werfen und erfährt hier mehr über die vielseitigste Teesorte der Welt.

 

Worüber wir reden, wenn es um Oolongs geht

Auf ihre Art sind Oolong Tees die Chefs unter den Tees. Während bei anderen Teesorten eine gute Lage und die Wetterbedingungen eine tragende Rolle spielen, hängt die Qualität eines Oolong Tees hauptsächlich vom Talent des Teemeisters ab. Wenn der Teemeister einen Fehler macht, riecht die nächste Charge nach schlechtem Parfüm oder nach verkohltem Steak. Macht der Teemeister hingegen alles richtig, entsteht ein hinreißend komplexer Tee, der sich in der Tasse noch weiterentwickelt und sich dort mehr als jeder andere schwarze oder grüne Tee entfaltet. Einige Oolong Tees können bis zu zwölf Mal oder sogar häufiger aufgegossen werden. Der letzte Aufguss unterscheidet sich geschmacklich komplett von der ersten Tasse.

 

Die richtige Herstellung von Oolong

Sobald das Teeblatt gepflückt wurde, beginnt es zu oxidieren. Lässt man das Blatt bis zum Ende oxidieren, entsteht ein malziger, schwarzer Tee mit bitterem Beigeschmack. Wird die Oxidation jedoch direkt am Anfang unterbrochen, entstehen helle Grüntees. Oolong Tees sind teilweise oxidierte Tees und das Ergebnis eines Prozesses, während dessen der Teemeister versucht, einen bestimmten Oxidationsgrad der Teeblätter zu erreichen. Danach werden die Blätter erhitzt, um Aroma und Geschmack zu stabilisieren und zu perfektionieren. Jeder zwischen 8% und 85% oxidierte Tee kann als Oolong bezeichnet werden. Aber nicht nur das Timing ist entscheidend, sondern auch der Ablauf der Oxidation selbst und was der Teemeister während dieses Vorgangs macht. Besondere Oolong Sorten müssen sehr behutsam behandelt werden, angefangen mit dem Welken und Rollen der Teeblätter bis hin zum exakten Temperatur- und Feuchtigkeitsgrad. Viele Oolongs benötigen diese komplexen Prozesse noch vor der Röstung, um zu einem facettenreichen Tee zu werden.

All diese Prozesse, die mehrere Tage dauern und aus vielen Schritten bestehen, haben das Ziel, den Blättern die Feuchtigkeit zu entziehen, den richtigen Oxidationsgrad zu erreichen und ihnen die Zeit zu geben, die verschiedenen Aromen zu entwickeln. Erfahrene Teemeister verlassen sich dabei auf ihr Gefühl – durch riechen, berühren und Intuition wissen sie, was noch fehlt. Sie würden niemals auf Maschinen und präzise thermoregulierende Werkzeuge zurückgreifen um Tee von immer wieder gleicher Qualität zu produzieren.

 

Oolongs richtig zubereiten

Die meisten Oolongs werden mit kochend heißem Wasser aufgegossen. Aber der wahre Trick ist die kurze Ziehzeit. Denn am besten kann man Oolongs durch mehrere kurz aufeinander folgende Aufgüsse genießen, da sich so der eigene Charakter am besten entfalten kann. Das heißt: man nehme mindestens fünf Gramm Tee auf 100 ml Wasser (für dunklere Oolongs ca. 8 – 10 Gramm), dann ziehen lassen in einer Serie von kurzen Aufgüssen (ca. 30 Sekunden).

Normalerweise werden Oolongs aus größeren, ausgewachsenen Blättern gemacht und nicht aus – wie üblich – der Knospe und zwei Blättern. Sie benötigen daher extra viel Platz zur Entfaltung ihres vollen Geschmacks.

Da Hong Pao

 

Eine Reise durch die Welt des Oolongs

Der Geschmack der Oolong Tees reicht von hell und blumig bis hin zu dunkel und schokoladig. Er wird von zwei Faktoren bestimmt: Oxidation und Röstung. Traditionell wurde das Rösten dazu verwendet um die Haltbarkeit des Produkts zu verlängern. Zusätzlich verleiht die richtige Röstung dem Tee eine Komplexität, Aroma und Körper, während eine Balance von Fruchtigkeit mit einem tiefen und holzigen Unterton entsteht.

Frisch und wohlriechend: ‚Grüner‘ Oolong

Helle oder „Jade“ Oolongs sehen aus wie viele grüne Tees. Sie sind üblicherweise grün, aber dennoch ein wenig dunkler als die Blätter von grünem Tee und ihre verdrehten oder gerollten Formen (im Gegensatz zu den nadelähnlichen flachen Grüntee-Blättern) sind ein Anzeichen dafür, dass man es mit einem Oolong zu tun hat. Genau wie grüner Tee schmecken helle Oolongs erfrischend und es können sich leichte grasige oder sonnig-süße Aromen manifestieren. Aber ein wenig mehr Oxidation verändert alles und der Charakter wirkt eher blumig. Es entsteht ein reicher, buttriger Körper, und ein viel komplexerer Geschmack als beim üblichen grünen Tee, verwöhnt den Gaumen.

Der meiste Oolong wird in Taiwan produziert. Hier wachsen die Teeblätter langsam in den Berghöhen vor sich hin, um den beliebten Geschmack zu bilden, der an den Nebel erinnert, der die Teepflanzen umhüllt. Die Sorten reichen vom aromareichen Baozhong über cremige „Milky Oolongs“, die von Jin Xuan Kultivaren stammen, bis hin zu luftigen Li Shan, Shan Li Xi und Da Yu Ling. Die drei Letztgenannten gehören zu den berühmtesten Gaoshan (High Mountain) Oolongs der Insel. Sie wurden nach den Bergen benannt und gehören zu den teuersten Tees des Landes.

In den letzten Jahrzehnten haben chinesische Teemeister mehr helle Oolongs produziert. In gewisser Hinsicht haben Sie sogar die Geschmäcker der traditionellen Tees komplett neu definiert. Ein bekanntes Beispiel wäre Tieguanyin – traditionell ein stärker oxidierter Oolong mit dunkler Röstung. Heutzutage findet man Tieguanyin meistens als hellen, nicht gerösteten oder nur leicht gerösteten Tee voller blumiger Aromen und einem Hauch von geröstetem Reis.

 

Sanft und wärmend: Mittlere Röstung und stärkere Oxidation

Durch stärkere Oxidation oder kontrollierte Röstung verliert der Tee die typischen frischen Jade-Aromen von grünem Oolong. Diese intensiver behandelten Tees entwickeln eher warme, würzige Noten und einen tiefen und sanften Körper mit Akzenten von Honig, geröstetem Getreide und weißem Sesam.

Taiwanesischer Dong Ding Oolong ist ein Tee voller nussiger Sesam-Aromen, die durch eine kontrollierte Röstung noch stärker hervortreten. Ähnlich hergestellt wird der sogenannte „Konkubine“ Oolong (Gui Fei), bei dem die Blätter von einem Insekt angeknabbert werden müssen. Dadurch entstehen extra fruchtige und honigartige Aromen. Dann gibt es noch Hong Shui Oolong– hergestellt nach den traditionellen Methoden. Der sehr hohen Oxidationsgrad (nah am schwarzen Tee), wird hier durch eine lange Röstung bei niedrigeren Temperaturen ausbalanciert. Das Ergebnis ist ein äußerst sanfter und lieblicher Aufguss voll von nussigen Aromen und Nuancen von getrockneten Früchten, aber weicher und mit einem komplexeren Körper als die meisten schwarzen Tees.

Generell kann man sagen, dass diese stärker oxidierten Tees viel ergiebiger sind und für eine deutlich höhere Anzahl von Aufgüssen reicht als die grünen Oolongs.  Ein grüner Oolong schmeckt nach dem vierten oder fünften Aufguss leicht grasig. Viele der stärker oxidierten Oolongs – besonders die Gerösteten – können mindestens zweimal so oft aufgegossen werden.

 

Dunkel und intensiv: stark gerösteter Oolong

Die großartigsten Exemplare aus dem Reichtum des Oolong Tees entstehen, indem man moderat oxidierten Tee stark röstet. Diese Tees können genauso stark und intensiv sein wie Kaffee. Für Kaffeeliebhaber die in die Welt des Tees einsteigen möchten ist ein solcher Tee genau der Richtige.

Im Wuyi Gebirge in China, wo der Tee an steilen Klippen wächst, entwickeln diese sogenannten Rock-Tees eine einzigartige mineralische Note; wie bei einem guten Scotch. Die Krönung jedes einzigartigen Wuyi Oolong ist die starke Röstung, die den robusten und kantigen Tee erst zu dem macht, wofür er berühmt ist: Schokoladen-, Nuss-und Edelholz-Aromen mit einer Süße von Wildhonig. Da Hong Pao, Shui Xian und Rou Gui sind die berühmtesten Oolong Tees aus der Wuyi-Familie. All diese haben subtile Unterschiede, aber sie hinterlassen alle denselben charakteristischen, felsigen Geschmack auf dem Gaumen.

Im Phoenix Gebirge in der Provinz Guangdong stellen die Bauern einen Oolong her, der wie ein Wuyi Tee aussieht – lange, dunkle, verdrehte Blätter – mit demselben gerösteten Charakter, aber dennoch ein klein wenig anders. Anstelle von mineralischen Nuancen, entwickeln Dancong Oolongs nachhallende Steinfrucht- und florale Aromen – noch intensiver als viele grüne Oolongs.

Nochmal zurück zur Tieguanyin. Diesmal geht es um die traditionelle Form aus Muzha in Taiwan und aus einigen Ecken der Provinz Anxi in China, wo der Tee ursprünglich herkommt. Dort wird der Tee tatsächlich noch oft auf die traditionelle Art und Weise hergestellt. Ein gut gerösteter Tieguanyin hat einen sehr intensiven Geschmack der durch tiefe, karamell- und orchideenartige Aromen getragen wird und vielschichtigen Nuancen von geröstetem Getreide. Es ist kaum zu glauben, dass das derselbe Tee sein soll wie die moderne Version des grünen Tieguanyin. Aber so ist das mit den Oolongs – es ist unmöglich den Geschmack zu bestimmen.